Ein verständlicher Leitfaden für Arbeitgeber

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist ein wirkungsvolles Instrument, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden. Vielen Arbeitgebern erscheint sie deshalb als reines Plusgeschäft: ein attraktiver Zusatznutzen für die Belegschaft, den man bequem an eine Versicherung oder eine Pensionskasse „auslagern“ kann. Doch diese Sicht ist trügerisch. Denn rechtlich bleibt die Verantwortung für die zugesagte Versorgung stets beim Arbeitgeber. Wer glaubt, die Haftung ende mit der Beauftragung eines externen Versorgungsträgers, sitzt einem gefährlichen Irrtum auf.

Dieser Leitfaden möchte Ihnen in klarer Sprache zeigen, welche Pflichten und Haftungsrisiken tatsächlich bestehen, wie Sie diese rechtssicher handhaben und worauf Sie im Alltag achten müssen. Ziel ist es, Ihnen die Sicherheit zu geben, die Betriebsrente zu einem echten Wettbewerbsvorteil zu machen – und nicht zu einer Haftungsfalle.

Das Fundament der Verantwortung

Das Herzstück der Arbeitgeberpflichten in der bAV ist die sogenannte Einstandspflicht. Sie bedeutet: Der Arbeitgeber steht in jedem Fall für das gegebene Versprechen ein – unabhängig davon, ob er die Leistungen selbst erbringt oder die Durchführung einem externen Träger überlässt. Kommt es dort zu Kürzungen, weil eine Pensionskasse in Schieflage gerät oder ein Fonds Verluste erwirtschaftet, muss der Arbeitgeber die Differenz aus eigenen Mitteln tragen. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig und nicht bloß „subsidiär“. Selbst wenn ein Arbeitnehmer seine Ansprüche gegen den Versorgungsträger verjähren lässt, kann er weiterhin vom Arbeitgeber die volle Leistung verlangen. Das Risiko, das Sie als Arbeitgeber tragen, reicht also weit über Ihre eigene Einflussmöglichkeit hinaus.

Eine weitere zentrale Pflicht ergibt sich aus dem Recht auf Entgeltumwandlung. Jeder rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer – also auch Teilzeitkräfte, Auszubildende und in der Regel Minijobber – hat Anspruch darauf, Teile seines Gehalts in eine Anwartschaft auf Betriebsrente umzuwandeln. Dabei sind Sie als Arbeitgeber nicht nur „Durchleiter“ von Beiträgen, sondern Vertragspartner mit voller Verantwortung. Vor allem zwei Punkte sind kritisch: Zum einen muss die umgewandelte Vergütung in eine wertgleiche Anwartschaft überführt werden. Verträge mit hohen Anfangskosten, die das Guthaben in den ersten Jahren erheblich schmälern, sind zwar nicht automatisch unzulässig, können aber im Einzelfall gegen das Gebot der Wertgleichheit verstoßen. Zum anderen muss es stets eine rechtssichere Entgeltumwandlungsvereinbarung geben. Fehlt sie oder ist sie fehlerhaft, droht der schlimmste Fall: Der Arbeitnehmer kann sein volles Bruttogehalt nachfordern, während die Versorgungszusage bestehen bleibt.

Schließlich gilt: Einmal erworbene Ansprüche sind in aller Regel unverfallbar. Bei Entgeltumwandlungen gilt dies sofort, bei arbeitgeberfinanzierten Zusagen seit 2018 nach drei Jahren Zusagedauer und ab dem 21. Lebensjahr. Wechselt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber, können Anwartschaften grundsätzlich übertragen werden. Doch Vorsicht: Übernimmt ein neuer Arbeitgeber die bestehende Zusage, übernimmt er auch alle Altlasten. Wird dagegen nur der sogenannte Übertragungswert in einen neuen Vertrag eingebracht, haftet der neue Arbeitgeber nur für die neue Zusage. Für Sie als Arbeitgeber ist deshalb eine sorgfältige Prüfung unerlässlich, bevor Sie bestehende Verträge eines Neuzugangs übernehmen.

Die Wahl der Zusageart

Die Art der Zusage bestimmt, welches Risiko Sie als Arbeitgeber eingehen. Bei der klassischen Leistungszusage versprechen Sie eine feste Rente – beispielsweise 300 Euro monatlich. Damit übernehmen Sie das volle Kapitalanlage- und Langlebigkeitsrisiko. Wegen dieser kaum kalkulierbaren Belastung ist die Leistungszusage heute selten geworden.

Weit verbreitet ist die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ). Sie versprechen hier, monatlich einen bestimmten Beitrag einzuzahlen, und leiten daraus eine prognostizierte Rentenhöhe ab. Doch der Haken ist: Sie haften nicht nur für die Einzahlung, sondern auch für das Ergebnis. Reichen die Erträge nicht aus, müssen Sie die zugesagte Leistung ausgleichen – selbst dann, wenn sie unter die Summe der eingezahlten Beiträge fällt.

Etwas sicherer wirkt die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML). Hier garantieren Sie zumindest die Summe der eingezahlten Beiträge (abzüglich Risikokosten). Das Risiko ist damit klarer begrenzt. Allerdings bleibt auch hier die Einstandspflicht bestehen: Wenn die Kapitalanlage Verluste macht, sind Sie verpflichtet, das zugesicherte Minimum sicherzustellen.

Ein Sonderfall ist die reine Beitragszusage (rBZ). Hier zahlen Sie lediglich Beiträge ein, ohne eine Leistung oder auch nur die Beitragssumme zu garantieren. Damit entfällt Ihre Einstandspflicht vollständig. Allerdings ist dieses Modell derzeit nur auf tarifvertraglicher Grundlage möglich und für die meisten Unternehmen praktisch nicht verfügbar.

Hinzu kommt die Pflicht zur Anpassungsprüfung laufender Renten nach § 16 BetrAVG. Alle drei Jahre müssen Sie prüfen, ob die Renten an die Inflation oder die Löhne angepasst werden müssen. Diese Pflicht entfällt nur in bestimmten Fällen: wenn eine jährliche Erhöhung von mindestens einem Prozent vertraglich zugesagt ist, wenn bei einer Direktversicherung oder Pensionskasse alle Überschüsse zur Leistungserhöhung verwendet werden oder wenn eine Beitragszusage mit Mindestleistung vorliegt.

Die Wahl des Durchführungswegs

Neben der Zusageart ist der Durchführungsweg entscheidend. Bei Direktzusagen bildet das Unternehmen Rückstellungen in der eigenen Bilanz, bei Unterstützungskassen werden Mittel an eine rechtlich eigenständige Einrichtung weitergeleitet. Beide Modelle sind jedoch zwingend über den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) gegen Insolvenz abzusichern – ein Pflichtbeitrag, den viele unterschätzen.

Beliebt ist die Direktversicherung, bei der das Unternehmen Versicherungsnehmer ist und der Arbeitnehmer als Bezugsberechtigter eingetragen wird. Hier besteht normalerweise keine PSV-Pflicht. Doch schon kleine Gestaltungen können das ändern: Ist das Bezugsrecht widerruflich oder wird die Police zur Kreditsicherung abgetreten, entsteht sofort eine Pflicht zur Insolvenzsicherung.

Bei Pensionsfonds ist die PSV-Pflicht von vornherein gegeben. Für Pensionskassen gilt sie seit 2021/2022 ebenfalls, nachdem mehrere Kassen ihre Leistungen kürzen mussten. Die Auslagerung auf externe Träger ändert also nichts daran, dass Sie als Arbeitgeber für die zugesagten Leistungen einzustehen haben.

Besonders riskant sind fondsgebundene Lösungen. Zwar trägt formal der Arbeitnehmer das Kapitalmarktrisiko. In Wahrheit hängt Ihre Haftung aber weiterhin von der Zusageart ab: Bei einer BZML müssen Sie das garantierte Minimum sicherstellen, bei einer BOLZ sogar die prognostizierte Leistung. Und selbst wenn Sie Produkte mit höheren Renditechancen auswählen, müssen Sie Ihrer Fürsorgepflicht nachkommen. Bieten Sie ein ungeeignetes, intransparentes oder übermäßig teures Produkt an, können daraus Schadensersatzansprüche entstehen.

Fallstricke im Alltag

Viele Risiken ergeben sich nicht aus den großen Systemfragen, sondern aus alltäglicher Verwaltung. Eine Versorgungsordnung ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber dringend zu empfehlen. Sie schafft einheitliche Regeln, sichert die Gleichbehandlung und erleichtert die Dokumentation. Diese ist seit dem neuen Nachweisgesetz von 2022 noch wichtiger: Alle wesentlichen Bedingungen der bAV müssen schriftlich auf Papier und mit Originalunterschrift ausgehändigt werden. Verstöße können Bußgelder bis 2.000 Euro je Fall nach sich ziehen.

Auch die gesetzlichen Pflichtleistungen bergen Stolperfallen. Seit 2019 müssen Arbeitgeber bei Entgeltumwandlungen grundsätzlich einen Zuschuss von 15 Prozent des umgewandelten Betrags leisten, sofern sie dadurch Sozialversicherungsbeiträge sparen. Diese Pflicht gilt seit 2022 auch für Altverträge – es sei denn, ein Tarifvertrag sieht ausdrücklich etwas anderes vor.

Hinzu kommt die regelmäßige Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG. Sie darf nur unter engen Voraussetzungen entfallen. Wer diese Pflicht vernachlässigt, riskiert Nachzahlungen und gerichtliche Auseinandersetzungen.

Im Personalalltag treten weitere Fragen auf. So dürfen Arbeitnehmergruppen bei der bAV nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden. Während Elternzeit oder Sabbatical entfällt die Pflicht zur Beitragszahlung, der Arbeitnehmer kann die Versicherung aber nach § 1a Abs. 4 BetrAVG aus eigenen Mitteln fortführen. Arbeitgeberfinanzierte Beiträge müssen stets zusätzlich zum Mindestlohn geleistet werden; Entgeltumwandlungen sind dagegen auch bei Mindestlohn zulässig. Und nicht zuletzt ist die Verwaltung der bAV datenschutzrechtlich sensibel: Die DSGVO verpflichtet zu strenger Zweckbindung, Transparenz und Datensparsamkeit.

Chancen nutzen, Risiken beherrschen

Die betriebliche Altersvorsorge ist ein wertvolles Instrument – aber nur dann, wenn Arbeitgeber ihre rechtlichen Pflichten genau kennen. Wer glaubt, mit der Beitragszahlung an eine Versicherung sei alles erledigt, unterschätzt die Reichweite der eigenen Verantwortung. Die größten Gefahren liegen in der Einstandspflicht, in Formfehlern bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen und Nachweisen sowie in der falschen Einschätzung des Haftungsumfangs einzelner Zusagearten und Durchführungswege.

Die Lösung liegt in Klarheit und Struktur: Schaffen Sie eine verbindliche Versorgungsordnung, standardisieren Sie Ihre Prozesse, prüfen Sie regelmäßig Ihre PSV-Pflichten und den gesetzlichen Zuschuss und lassen Sie Ihre bAV von Fachleuten überprüfen. Dann wird die Betriebsrente nicht zum unkalkulierbaren Risiko, sondern zu einem echten Wettbewerbsvorteil für Ihr Unternehmen.

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